Die Dose – das Monopol der Konzerne

Es stimmt, die Dose hatte jahrelang ein schräges Image. Auch bei mir. Nicht wegen dem Material oder Geschmack – sondern wegen der Technik. Dosenfüllanlagen waren die Spielwiesen der Konzernbrauer. Ein Dosenfüller kostete «Millionen». Lange stand in der Schweiz keine Dosenfüllanlage, weil «unser Markt zu klein war für Dosen.» Sogar Coca-Cola hat noch Ende 80-iger-Jahre Dosen für die Schweiz aus Österreich importiert.

Irgendwann, vielleicht vor 25 Jahren, ging es dann los. Zuerst mit billigen Importdosen. Später war Feldschlösschen dabei. Die Dose wurde zum USP der Konzernbrauer. Kein Kleiner konnte mit den teuren, grossen Maschinen mithalten. Mit der Dose hat man den Preiskampf eingeläutet. So wurde die Dose zum Synonym für Billigbier. Die Gegner haben die Dose schlecht gemacht. «Riecht nach Blech», «ungesund» und andere Gerüchte wurden in die Welt gesetzt.

Das hatte eine gewisse Berechtigung, solange Weissblech für die Dosenherstellung verwendet wurde. Weissblech und Mischmetalle sind jedoch seit Jahren verboten.

Das «Konsumenten-Njet» zu Dosen hat zum ersten Mal ein bisschen gedreht, als grosse, teure Weltmarken wie Heineken mit Dosen den Markt angriffen. Das konnte doch nicht so schlimm sein mit dem Blechgeschmack? Sonst wären diese Premiumbiere ja kaum mit Dosen in den Markt. Immer mehr andere berühmte Biere – Warsteiner, Becks, Löwenbräu München – traten über das «Dosenmonopol» in den Schweizer Markt. Die grossen Schweizer Brauereien rüsteten nach. Die Kleinen hatten in dem Segment das Nachsehen. Die Dose wurde zum Kampfartikel der Konzerne und Grossverteiler. Die Konsumenten griffen mehr und mehr zu – Dosen gewannen zusehends Freunde, trotz schlechtem Image, das man ihr nachredete. Das Wachstum geht bis heute ungebremst weiter.

Dosenfüllzentrum bei der Brauerei Falken Schaffhausen

Einen strategischen Schritt in der Schweizer Dosenbiergeschichte machte die Brauerei Falken in Schaffhausen. Vor etwa 10 Jahren beschaffte sich die Brauerei, als erster mittelständischer Betrieb, eine mittelgrosse Dosenfüllanlage und bot den Kollegen an, damit auch ihre Biere abzufüllen. Ein mutiger Schritt, der sich für die Brauerei lohnte. Weit über ein Dutzend kleinere Schweizer Brauereien profitierten von dem Angebot und liessen ihre Bier in Schaffhausen in Dosen abfüllen.

Der Transport erfolgte in Tankwagen ins Zwischenlager der Brauerei und von dort in die vorbereiteten bzw. bedruckten Dosen. Der Aufwand war beachtlich – und es brauchte immer noch Minimalauflagen, damit sich der Aufwand lohnte.Immerhin hatten viele mittelgrosse Brauer jetzt auch eine Dose im Angebot. Es war der Durchbruch der Dose auch im Regal. Das Dosenmonopol der Grossen wurde damit gebrochen. Folge: der Absatz von Dosen stieg kontinuierlich an. Heute wird rund 1/3 des Bieres in Dosen verpackt

Reisen bildet

Meine Neugier trieb mich immer mal wieder in die USA, zum Beispiel an die Craft Brewer Conference. Ich glaube es war 2010, als ich in einer Mikrobrauerei in Philadelphia, in einer Ecke der Halle, eine ältere Frau entdeckte, die an einem Gerät offensichtlich Dosen füllte. Dosen füllen? Eine Frau allein?
Tatsächlich – da stand ein Durchschub-Gerät, sah aus wie ein Geschirrwascher mit Haube, der die leeren Dosen im 24-Carton mit Bier befüllte, Deckel draufsetzte und voll wieder herausschob. Die Oma schob die Cartons mit den leeren Dosen hinein und holte nach einigen Minuten den Karton mit den gefüllten und verschlossenen Dosen am andern Ende wieder raus. 1500 Dosen füllte man so pro Stunde. Ich bin fast aus den Schuhen gekippt vor Staunen. «Kostete 70.000 Dollars» hat mir der Chef erzählt. «Kommt aus Chicago..».
Bei näherer Betrachtung entdeckte ich, dass alle Präzisionsteile, Ventile, Steuerung usw. aus Deutschland und Italien stammten! Die Amis haben diese Teile in Europa zusammengekauft und in Chicago in einem einfachen Chromstahlgestell zum Kleindosenfüller zusammengesetzt.
Während wir in Europa noch im Glauben lebten, Dosenfüllen sei eine komplexe Geschichte und gehe nur mit grossen Anlagen, haben die Amis mit ihren Klein-Dosenfüllern den heimischen Markt «überschwemmt» und damit die Dosen zur primären Verpackung von Craftbier gepusht. Zum Ärger der Konzerne…

Zehn Jahre später

2022 – Craft Beer Conference in Minneapolis, die erste wieder nach Covid. In der Messe standen etwa 10 Hersteller von Kleindosenfüllern in allen Varianten. Kein Wunder – 9500 US-Craftbrewer sind ein Riesenmarkt für diese Geräte. Ab 40.000 Dollars und 700 Dosen Stundenleistung ist man dabei, elektronische Steuerungen, Hightech, einwandfrei Abfüllqualitäten. Craftbier in Flaschen gibt es nicht mehr. Nur die Konzerne füllen noch billige Standards und Lights in Flaschen ab. Was etwas auf sich hält, kommt in Dosen in den Markt.
Ich habe mich umgesehen und gefragt: «Europe? No, sorry». Solange der US-Markt nicht abgedeckt war, hatten die Hersteller kein Interesse an Export. Warum auch den Aufwand auf sich nehmen? Und wenn, dann sicher nicht nach «Good Old Europe» – Asien, Japan, Südamerika, diese schnellen Märkte stehen im Vordergrund.

Die Zeit wird reif

Langsam beginnt es sich jetzt allerdings zu drehen. Wahrscheinlich ist der US-Markt voll. Die ersten zwei US-Hersteller sind in England, Spanien und Italien. Bereits zwei Geräte stehen in der Schweiz – Frage der Zeit, bis diese Mikromaschinen – sie sind mittlerweile Lagerartikel und innert Wochen lieferbar – auch bei uns den Durchbruch der Dose auch für kleinste Craftbierbauer ermöglichen.

Ironie

Nach dem uns die Amis schon mit ihrer Craftbieridee vormachen, was sich mit alten europäischen Brautraditionen für herrliche Biere machen lassen und wie man die aromatischen Hopfen dazu züchtet, bringen sie uns jetzt auch «unsere» Abfülltechnik zurück, angepasst auf Mikrobrauereien. Entwicklungshelfer USA – Entwicklungsregion Europa?
Ein bisschen sollten wir uns an der Nase nehmen!

Warum Dosen?

Dose ist ein perfektes Transport- und Verpackungsgefäss und kein Trinkgefäss. Craftbiere trinkt man aus dem Glas! So hat man das volle Bouquet auch in der Nase.
Die Dose ist lichtecht – Hauptschädling für den Biergeschmack – und luftdicht. (Kronkork ist flüssigkeitsdicht aber nicht unbedingt luftdicht). Die Dose ist darum das ideale Verpackungsgefäss und dem Glas überlegen. Aluminium ist geschmacksneutral. Viele Dosen sind mit einem hauchdünnen, völlig unbedenklichen und geruchlosen Belag ausgekleidet.

  • Aluminium ist aktuell deutlich billiger als Glas. (33cl-Einweg-Glasflasche ca. CHF .28 / Dose ca. CHF -.18)
  • Aluminium lässt sich unbeschränkt und ohne Qualitätsverlust einschmelzen und wieder verwenden. In unseren Dosen stecken 95% Recyclingalu. Aluminimumrecycling ist viel einfacher als Glasrecycling. Wiedereinschmelzen von Alu braucht Bruchteil der Energie wie Glas. Das leichte Aluminium spart bereits beim Transport viel Energie.
  • Bruchsicherheit erspart im Versand viel Verpackungsmaterial und Portokosten
  • Bruchsicherheit verhindert teure Verluste durch Bruch.
  • Dose lässt sich besser / einfacher lagern und braucht weniger Platz
  • Dose kühlt schneller ab (..wird aber auch schneller warm..)
  • Dosenzylinder lässt sich einfacher etikettieren als Flaschenformen
  • Dosenzylinder hat mehr Platz für Informationen und Design

Handicap

Die Gewinnung von Aluminium aus Bauxit kann, sofern es nicht kompetent und sorgfältig bzw mit Strom aus Wasserkraft (Australien) gemacht wird, Umweltschäden verursachen (Südamerika). Entscheidend ist das richtige Recycling von Alu. In der Schweiz funktioniert das mit Dosen sehr gut. Problem sind eher Kleinstteile wie Kaffeerahmdeckli usw.

Haptik und Trinkerlebnis

Zugegeben, das Anfassen einer kalten Aludose ist ein anderes Gefühl als der Glasbauch einer Flasche. Und auch über den Einschenkprozess aus der Flasche mit dem »Gluggglugg» oder lautlos aus der Dose kann man streiten. Mit der Qualität des Bieres hat es allerdings nichts zu tun. Es ist ein «Lernprozess» des Konsumenten. (vor 25 Jahren wollte auch niemand Coca Cola aus der Plaschtiggflasche …und heute?)

Service

Zur Zeit ist die Dose in der Gastronomie ein «no go». Ich meine – «Frage der Zeit». An der *****-Stern-Bar des Hyatt in Chicago wird das »Crocodile-IPA» aus der Dose serviert:
– Papierdeckeli fürs eisgekühlte Bier-Glas (läuft an..)
– Papierdeckeli für die kalte Dose..
– Dose wird vor dem Gast geöffnet und mit einem »Cheers» aufs Papier gestellt
Der Gast giesst sich das Bier selber ein und hat Gelegenheit, den umfangreichen Beschrieb auf der Dose zu studieren.
Ich finde in diesem Prozess absolut nichts Abwertendes im Vergleich zum Flaschen-Service.
Theoretisch könnte man mit der Dose auch «Offenausschank» simulieren: das Bier am Buffet ins Glas eingeschenkt bekommt der Gast die Dose nicht zu Gesicht. Macht man vielerorts beim Weissbier schon so – man schenkt die Flasche an der Theke ein. Why not?

Umwelt – Foodprint

Das Buwal – Bundesamt für Umwelt usw. – hat den Aluminiumdosen endlich das zweitbeste Rating erteilt, nahe bei Mehrwegflaschen, sofern der Transport hin- und zurück unter 100 km bleibt. Und weit besser als das Rating von Einwegglas- Flaschen.

PILGRIM

Wir haben 2022 mit der Dosen-Verpackung unserer Craftbiere begonnen. Mobile-Canning – es grüsst die USA – machts möglich. Zwei junge Unternehmer haben den Trend erkannt und sich mit einer mobilen Dosenfüllanlage »Made in USA» ausgerüstet. Sie fahren damit von Brauerei zu Brauerei und bringen gleich alles mit, Dosen, Etikettierer. Ein altes Konzept, früher mit dem Schnapsbrenner, heute mit dem Dosenfüller wie es auch in USA für Allerkleinstbrauer anzutreffen ist. Die Versandkosten von Dosen betragen etwa 1/3 wie die Kosten für Flaschen. Im E-Commerce sind Dosen deshalb zwingend. Wir verschicken zum gleichen Frachtpreis maximal 24 Flaschen (Bruchgefahr) oder 72 Dosen. Man rechne…

Mit der Zusammenarbeit mit Falken bieten sich jetzt erweiterte Möglichkeiten zur Verarbeitung von Dosen. Wir werden diesen Weg konsequent weiter gehen.
Wahrscheinlich stellen wir den Versand von Craftbier in 33cl-Einweg-Flaschen mit der Zeit ein. Er ist zu teuer, nicht nachhaltig, Materialverschleuderung bei zu hohen Kosten.
Retourflaschen sind für Spezialitätenbiere kein Thema: sie gehen in kleinen Mengen oft weit über die Region hinaus wo es keine Logistik und Rücknahmemöglichkeit gibt.
33cl-Einwegflaschen bleiben für den Bedarf der Gastronomie «um den Kamin herum», Verkauf im Brauereiladen oder da wo wir mit Harassen hinfahrenb, anstelle Carton mit Planzer Logistik.

Flaschen machen ansonsten nur Sinn, wo es einen Zusammenhang gibt mit der Qualität der Produkte, zum Bsp. durch Flaschengärung und Nachreifung, wie bei Triples und Grand Crus. Oder wo das Verhältnis Preis des Inhaltes / Preis Gebinde keine Rolle spielt bzw die Optik wichtig ist. Zum Bsp. Champagner in Dosen wird kaum je funktionieren. Schon wegen dem «Plopp» des Zapfen. Genau so wenig wie unsere holzfassgereiften Grand Crus je in den Dosen landen werden.

Darf man Bier «spritzen»?

Die überraschend hervorragend schmeckende Kombination aus Pilgrim Bieren und Grenadine-Sirup. Wieso das funktioniert und möglicherweise der nächste Sommerhit wird.
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