Holzfassreifung Teil 2 – Die verschiedenen Bierstile

Fass-Geschichte

Ursprünglich, bis etwa im 17 Jh., gab es eigentlich nur „holzfassgereifte Biere“. Allerdings waren die Brauerei-Reifefässer mit 4‘000 – 5‘000 Liter deutlich grösser. Die heute meist eingesetzten Fässer mit 225 Liter sind Transportfässer.
Die Grösse geht auf alte Schiffsmasse zurück. Viel grössere Gebinde liessen sich ohne Hilfsmittel gar nicht richtig handeln. Heute gilt ein 225 Liter Fass als Einheit für Barrique und ist vorwiegend allem in der Weinwelt anzutreffen.

Sauerbier und India Pale Ale

Ich gehe davon aus, dass damals praktisch alle Biere, spätestens auf dem Trans-port in diesen Holzfässern, sauer wurden. Seien es Milchsäurebakterien oder Essigbakterien – in diesem biologischen Umfeld musste Bier sauer werden. Notabene wahrscheinlich auch der Wein. Im Holz sitzt nämlich – unter anderem – eine ganz besondere Hefe, die Kahmhefe. Sie verursachen eine Sauergärung und „frisst“ sogar Holz. Das heisst, sie ist in der Lage, aus Cellulose Alkohol zu produzieren. Ein wahrer „Haifisch“ unter den Mikroorganismen.
Die Hefe braucht dazu allerdings viel Zeit und Wärme, was sie in den Bierfässern im Rumpf der Segelschiffe auf dem lange Weg nach Indien zweifellos hatte. Die Geschichte mit den stark gehopften Bieren auf den Schiffen ihrer Majestät, König von England, könnte da den Ursprung haben. Der antiseptische Hopfen verhinderte das schnelle Wachstum der Kahmhefen und damit den ungewollten Anstieg des Alkoholgehaltes weit über die Norm hinaus. Als Folge der täglichen Ration von 3 Liter Bier und einem Glas Rum wäre eine permanent betrunkene Besatzung an Bord die Folge, was bestimmt nicht im Sinne der Kapitäne war. Darum stoppte man diese unerwünschte Nachgärung in den Holzfässern mit viel Hopfen. Man erinnert sich bei der Gelegenheit vielleicht an die Geschichte der Meuterei auf der „Bounty“.

Fässer mit Pech auskleiden – pichen

Zurück zum Holzfass: Ursprünglich brannte man die Fässer aus und töte auf diese Weise allfällige Keime. Man wusste noch nichts von Bakterien oder Mikroskopen, um diese zu erkennen. Dass das Ausbrennen der Qualität half, hatte man aber auch bald einmal entdeckt und an den dadurch entstehenden Geschmack sich gewöhnt. Um die Bierqualität zu steigern, begann man Fässer mit Pech auszukleiden. Entweder zündete man dazu Pechbrocken im Fass an bis es vor Hitze flüssig war. Oder man erhitze Pech in einer Pfanne und schüttete einige Liter davon ins Fass und dreht das Fass auf Holzbalken, damit sich das flüssige Pech gleichmässig verteilte. Damit wurde das Fass dichter, die Kohlensäure blieb erhalten, das Bier perlte und hatte Schaum. Weil es jetzt innen sauber ausgekleidet war, liess es sich besser reinigen. Keimfrei war es aber nicht aber bedeutend besser als mit rohem Holz.

Diese Picherei wiederholte man periodisch. Mit einer Flamme bzw. Heissluft löste man das alte Pech im Fass auf, schüttete es zurück in den heissen Pechtopf und goss danach wieder frisches Pech ins Fass. Das ging so bis in den 60iger des letzten Jahrhunderts. Ich habe das sogar noch erlebt! Die ersten Aluminium- und später Chromstahlfässer machten der Picherei ein Ende. Die Bierbrauer stiegen zügig auf diese neuen Materialien um während der Weinküfer dem Holzfass treu blieb.

Barrique-Kult und Holzarten

Die Weinküfer kultivierten die Holzfassreifung und machten daraus einen Kult – die „berühmten“ Barrique-Weine. Daraus wurde fast eine „Wissenschaft“, die bereits bei der Auswahl des Holzes für die Fässer beginnt. Berühmt ist die französische Eichen aus bestimmten Regionen. Auch die süsslicher schmeckende amerikanische Eiche mit leichtem Vanilleton ist sehr beliebt. Eiche ist die am meisten vertretene Holzart. Es gibt daneben auch Fässer aus Buchenholz, Kirschenholz und anderen, eher exotischen Holzarten. Die verschiedenen Holzarten beeinflussen die Aromanoten der darin gelagerten Weine.

Dazu kam das sogenannte „Toasten“ der neuen Fässer. Gemeint ist damit das Ausbrennen des Holzfasses mit Feuer. Das geht vom ganz leichten „Hauch“ bzw. feinen Röstnoten bis zum fast schwarz angekohlten Holz mit dem entsprechenden Einfluss auf Geschmack des Weins. Auch die Toasting-Techniken entwickelten sich immer weiter. Vom anfänglichen einfachen toasten über dem Feuer sind es heute Gasbrenner oder sogar Infrarotgeräte, welche den Toastingeffekt besser steuerbar machen.

Auch auf der biologischen Seite blieb man nicht untätig. Ausdämpfen, die Keime mit Hitze töten, ist eine weit verbreitete Massnahmen. Chemikalien und Desinfektionsmittel gibt es auch, der Einsatz ist allerdings wegen geschmacklicher Beeinträchtigung und Restsubstanzen im Holz nicht ganz einfach. Optimaler sind Ozongeräte womit man den Keimen mit Sauerstoff ebenfalls „die Füsse abbrennt“ sprich das Fass ohne Rückstände zu hinterlassen desinfiziert. All diese Massnahmen haben allerdings den Nachteil, dass sie den erwünschten Holzton im Wein negativ beeinflussen.

In der Regel beginnt der Lebenszyklus eines neuen Fasses in einem Weinkeller. Der Weinküfer sucht und will die Tanninnoten des frischen Holz im Wein. Ein neues Barrique-Fass kostet um die CHF 700 bis CHF 800. Je nach Weinsorte wird es bis zu dreimal für 12 Monate mit Wein befüllt. Danach verkauft der Weinküfer seine Fässer. Viele gehen zuerst nach Spanien, wo sie für die Reifung und den Transport von Sherry verwendet werden. Ein Teil geht direkt nach Schottland und Irland zu den Whiskeybrennern. Und neuerdings kaufen Brauer die Weinfässer für die Nachreifung von Bieren.

Das Holzfass in der Brauerei

Biere in Weinfässern ausreifen hat seine Tücken. Wein hat zu wenig Alkohol, um im Fass alle Hefen und Bakterien zu töten. Das wirkt sich auf das Bier aus und verursacht eine saure Nachgärung. Das kann man auch gewollt einsetzten oder die Fässer sogar mit den entsprechenden Bakterien impfen. Klassiker sind die Brettanomyces bruxellensis (ugs. „Brett), eine Saccharomyces-Hefe. Sie verursachen mit der Sauergärung den typischen „Brett-Geschmack“ , welcher man als Geruch nach Pferdedecke, Leder oder Teer wahrnimmt. Im Wein ist das ein Fehlgeschmack. Beim Bier hat die „Brett-Note“ einige Fans gefunden.

Natürlich kann man Bier auch in neuen Eichenfässern oder Buchenholzfässern ausreifen lassen. Der Barrique-Effekt durch die Tannine ist viel intensiver.
Eine alte Tradition, die an diese Holzfasszeit anknüpft, ist das Spänen. Man steckt das Bier in einen sterilen Chromstahltank, gibt aber Buchenspäne dazu. Die sehen aus wie Schindeln, eben, Späne. Anfänglich schwimmen die Späne oben auf dem Bier. Mit der Zeit lagert sich Hefe daran ab und zieht die Späne langsam durch das Bier bis an den Boden, ins sogenannte „Geläger“. Dieser Prozess hilft das Jungbier besser und schneller zu klären. Wenn man neue Späne einsetzt, erreicht man ebenfalls eine feine Aromatisierung des Biers. Was viele nicht wissen: der weltgrösste Bierbrauer, Anheuser-Busch, spänt nach wie vor sein „Michelob“ nach dieser uralten Tradition. Allerdings nimmt er dazu nicht neue Späne sondern immer wieder die gleichen welche er in grossen „Waschmaschinen“ reinigt und mit Dampf sterilisiert. Die Wissenschaftler von Anheuser-Busch sagen, die Konsumenten merken in Blindtests einen Unter-schied zwischen gespänten und nicht gespänten Bieren. Und so lange das so sei hätten sie keinen Grund mit dieser alten Technik aufzuhören.

PILGRIM Barrique Biere – alte Traditionen neu umgesetzt

Für unsere Gourmetbiere wie unsere Grand Crus setzen wir vorwiegend Fässer ein, die mit Spirituosen vorbelegt waren. Damit haben wir einigermassen Sicherheit bzw. Schutz vor ungewollten Bakterien im Fass. Die Beschaffung dieser Fässer ist nicht einfach und teuer. Der Preis beträgt, je nach Herkunft zwischen 300 und 500 Dollars, zuzüglich rund CHF 100 Transportkosten. Ein Fass kann man zweimal mit Bier belegen. Danach funktioniert die Reifung nicht mehr richtig, man sagt: „das Holz wird müde“.

Ein weiterer Faktor sind die Schäden und Verluste. Gelegentliche „Rinner“ sind
unvermeidbar. Wir haben mittlerweile gelernt, wie man Fässer repariert und doch gibt es immer mal wieder Ausschuss. Gelegentlich erhält man auch ein Fass mit Fehlgeschmack. Eine Garantie gibt es für diese 15 bis 30 Jahre alten Holzfässer nicht. Wir suchen deshalb die Fässer nur bei uns bekannten und zuverlässigen Lieferanten. Einige sind Küfer (Fassbauer), welche gute Beziehungen haben und so zu guten, gebrauchten Fässern kommen. Vor allem in den USA gibt es mittlerweile Händler, die sich auf den Handel mit gebrauchten Fässern spezialisiert haben und zum Teil den ganzen Fassbestand von Brennereien aufkaufen.

Fasshandling ist heikel

Handel mit gebrauchten Fässern ist heikel. Es muss vor allem schnell gehen. Die Fässer dürfen nie lange leerstehen oder gar austrocknen. Sie wären sofort unbrauchbar. Die Fässer enthalten deshalb immer einen „Schluck“ des letzten Inhalts und sind luftdicht in Folien eingewickelt. Wenn sie bei uns ankommen, packen wir sie schnell aus und prüfen sie fachmännisch mit einem geschulten Blick und einer erfahrenen. Sofort werden sie wieder mit Bier befüllt. Das heisst, wir müssen das Bier für die ankommenden Fässer bereits vergoren und gekühlt bereithalten – just in time sagt man dem.

Die Fässer dürfen dazu nie mehr als 20 Grad haben. Hitze vertragen sie sehr schlecht und sie werden undicht. Der Fasstausch funktioniert daher nur im Winterhalbjahr, im Sommer stimmt die Temperatur nicht. Die Fassreifung selbst geschieht in kühlen oder künstlich klimatisierten Räumen bei Luftfeuchtigkeit zwischen 72% und 80%.

Wir haben in mehreren Versuchen die Erfahrung gemacht, dass Biere mit weniger als 10 – 12% Alkohol die Fassreifung schlecht vertragen. Die intensiven Aromen verlangen nach Bieren mit einem massiven Body. Der hohe Alkoholgehalt schützt zusätzlich vor Verderb und Infektionen.

PILGRIM Imperial Grand Crus aus dem 300 Jahre alten Klosterkeller

Der stolze Name verrät bereits die Besonderheit der holzfassgereiften PILGRIM Biere aus dem alten Klosterkeller. Um ein eingermassen ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen bzw. die Kunden nicht mit jeder Charge mit einer völlig anderen Geschmacksnote zu überraschen, reift unser Imperial Belgian Blonde nur noch in Fässern, welche mit Rum vorbelegt waren, der tiefschwarze Imperial Russian Stout in Whiskeyfässern und für unsere Jahrgangsbiere setzen wir alte Cognac-Fässer ein. Wir verarbeiten dazu auch immer eine Charge von etwa 1‘000 Liter in 5 – 6 Fässern. Vor dem Abfüllen wird jedes Fass einzel verkostet und dann im Tank so „verschnitten“, dass ein ausgeglichenes Resultat entsteht. Beim Whiskey sagt man dem „Blenden“.

So werden PILGRIM Biere samtig und weich

Bei der Fassreifung atmet das Holz je nach Kellertemperatur und Luftfeuchtigkeit. Das bedeutet, dass die Poren sich öffnen und schliessen können. Das führt zu einem Austausch der Biere mit den Stoffen und Aromen des Holzes. Es findet ausserdem eine leichte Oxydation statt, bei der auch etwas Wasser verdunstet. Der berühmte „Angels Share“ beeinflusst auch das Klima im Keller. Dieser Reifeprozess macht die Biere samtig und weich, in der Fachsprache „smooth“. Je nach Bierstil und Fass dauert das zwischen 3 Monaten und 1 Jahr oder, je nach gewünschtem Ergebnis, auch mehr. Der Reifeprozess würde eigentlich nie aufhören.

Je nach dem, was zuvor im Fass gelagert wurde, sind Rum-, Whiskey- oder sogar Weinnoten, gelegentlich in Kombination mit Holz- und Toastingspuren, im Aroma dann deutlich erkennbar. Holzfassgereifte Biere zeichnen sich deshalb mit einer komplexen Vielfalt von Nuancen aus, die von Fass zu Fass immer wieder variieren. Sie öffnen eine neue Dimension im Biergenuss, machen ihn abwechslungsreich und spannend. Der Aufwand in der Brauerei ist allerdings beachtlich. Die Kosten für die Fässer selbst, die nur zweimalige Belegung, Investitionen in den Keller und die Anlagen selber sowie die aufwändige Kellerarbeit schlagen sich massiv im Preis nieder.

Exklusive Grand Crus haben ihren Preis

Diese holzfassgereiften Biere haben nicht viel gemeinsam mit dem „üblichen Hellen“ oder einem Industrieprodukt der Konzerne. Es sind handwerkliche Einzelstücke mit Sammlerwert. Ein Flasche Barrique-Bier liegt deshalb näher beim Jahrgangsburgunder als bei einer Flasche Discount Hell. Das spiegelt sich im Preis. Immer mehr Kenner und Geniesser entdecken diese einmaligen Spezialitäten. Sie entstehen aus einer Verbindung von überliefertem Wissen, alten Handwerkstraditionen und neuen Erkenntnissen über die Gärung und Reifung. Eine einmalige Symbiose die man deshalb unbedingt probieren sollte. Es lohnt sich!

Zu unseren Holzfassgereiften Grand Crus geht’s hier.


Unterschrift WAM schwarz

Martin Wartmann, Bierbrauer


Mal einen Blick in den Barrique-Keller werfen?
Jeden 1. Samstag im Monat machen wir eine Öffentliche Führung durch die Brauerei bis hin zum mystischen Barrique-Keller.

Darf man Bier «spritzen»?

Die überraschend hervorragend schmeckende Kombination aus Pilgrim Bieren und Grenadine-Sirup. Wieso das funktioniert und möglicherweise der nächste Sommerhit wird.
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