Wein oder Bier?
Klar, wir sind Bierbrauer. Das hindert uns aber nicht, bei den Kollegen aus der Weinbranche abzuschauen. Champagnerflasche für unsere Gourmetbiere hat einige gute Gründe. Einmal die Flaschengärung und der Druck in den Flaschen, dann der alkoholresistente Korkzapfenverschluss, dazu ist die Flasche ziemlich bruchsicher im Versand und sie hat die edlere Form, die besser zu unseren Gourmetbieren passt.
Unfreiwilliges Sauerbier
Auch im Fasskeller haben wir versuchsweise auf die Weinwelt zurückgegriffen und Grand Crus in ehemaligen Weinfässern ausgereift. Das Abenteuer hat allerdings Grenzen. Jetzt stehen 5 Wein-Fässer mit saurem Belgian Blonde im Keller. Lactobakterien haben im Wein überlebt und, trotz hohem Alkoholgehalt, unseren wunderbaren Grand Crus in Essig verwandelt.
Anspruchsvollere Bierwelt
Bier ist nicht nur biologisch heikler als Wein und braucht mehr Sorgfalt. Bereits bei der Herstellung greifen die Brauer drei Schritte früher in die Natur als der Weinbauer und Moster. Im ersten Schritt wird das richtige Getreide angebaut. Gesucht ist Stärke und wenig Eiweiss. Im zweiten Schritt bringt man das Korn durch Nässe und Wärme zum Keimen und trocknet es mit Heissluft. Jetzt ist es Malz. Im dritten Schritt, in der Maischpfanne, verwandeln die beim Mälzen entstandenen Enzyme die wasserlösliche gewordene Getreidestärke in Malzzucker. Das Ergebnis ist malzzuckerhaltige Würze – vergleichbar mit dem Most aus Trauben und Obst. Erst jetzt beginnt der für alle vergorenen Getränke ähnliche Gärprozess. Durch Zugabe von Hefen entsteht aus Zucker Alkohol und Kohlensäure.
Bei allem Respekt vor der Pflege der Reben und Bäume – Bier brauen ist ziemlich komplex. Nicht umsonst dauert die Ausbildung zum Braumeister Jahre.
Komplexere Geschmacksstoffe
Auch in den Inhaltsstoffen gibt es beachtliche Unterschiede zwischen Obst und Trauben-Getränken und Bier. Aus dem Getreide stammen eine Reihe von Stärkeabbauprodukten. Sie prägen Farbe und Körper des Bieres. Hopfen bringt eine aromatische Hopfennote und Bitterstoffe mit. Bier hat einen relativ hohen Anteil vom Kohlensäuregas, die Perlage. Der typische, weisse Schaum aus Eiweiss und Kohlensäure ist weniger für den Gaumen als fürs Auge ein Genuss und eine optische Differenzierung. Die Kombination von Bittere, Süsse und Säure in Verbindung mit Geschmacksnoten und Aromen aus verschiedenen Hefen machen Biergenuss komplex und gewöhnungsbedürftig. Man findet mehr Menschen, die Bier nicht mögen und lieber Wein geniessen als umgekehrt.
Vom Durstlöscher zum Gourmetbier
Vielleicht wegen dieser Komplexität hat Bier neben dem edlen Wein jahrelang als einfacher Durstlöscher ein Schattendasein gefristet. Die Industrie hat mit der gezielten «Verflachung» der Geschmackskomponenten dazu beigetragen. Gesucht waren einfach zu trinkende Biere, die nirgends aneckten – «easy-to-drink-beer» sagte man dem. Langweilig.
Das beginnt sich zu ändern. Los ging es mit den berühmten «Craftbieren» der amerikanischen Heimbrauer, die gezielt «andere Biere» brauten. Nur keine «Hellen» und keine kalt vergorenen «Lager». Ales und Stouts erlebten eine Renaissance. Intensive, bittere Biere, die deutlich nach Hopfen rochen. Alte Rezepte mit Gewürzen, wie sie in Belgien überlebten. Extreme Sauerbiere, auf Früchten ausgegoren. In Hefebanken züchtet man aus alten Stämmen neue, alkoholresistente Hefepopulationen mit einer Vielfalt an Geschmackskomponenten.
Und plötzlich entdeckten die Gourmets, dass sich diese aromatischen Biere hervorragend als Essensbegleiter eignen. «Food-Pairing» heisst der Trend, welche Gerichte mit welchen Bieren. Eine neue Geniesserwelt geht auf. Weit entfernt von der altbekannten Schweizer «Bierküche» mit dem Gulasch an Bier und Wurstsalat mit Spätzli hell.
Gourmetbier in der Sterne-Gastronomie
In Berlin, München, Wien, Brüssel und Paris halten Gourmetbiere Einzug in die Sterne-Küche. Die Gänge werden nicht mehr stur von Weinen begleitet. Ein Pale Ale zum in Essig marinierten Fisch auf Fenchel passt besser. Milde Hefe Weisse zur Vorspeise oder tiefschwarze Stouts oder Bock zum Schokolade-Dessert, ein belgisches Blonde zum Blauschimmel – sie stören den edlen Burgunder zum Hauptgang in keiner Weise.
Anderes Bier geniessen ist eine Altersfrage: Die Generation vor 1975 tut sich schwer mit den neuen Bieren. Man ist mit «Lager hell» aufgewachsen und bleibt zum Essen dem Blauburgunder verbunden. Für die jüngeren Jahrgänge gilt dagegen immer mehr “I don’t drink my fathers beer”. Man trinkt, was Spass macht und nicht, was eigentlich Usanz wäre.
Wein und Bier
Mit dem aktuellen Trend nach anderen Bieren aus kleinen Brauereien geht eine neue Dimension in der Geniesserwelt auf. Die unsichtbare Wand zwischen «Weingeniessern» und «Biertrinkern» fällt um. Es ist nicht mehr «entweder oder» sondern gekonntes «sowohl als auch». Wenn man sich vor Jahren noch fast genierte, im Edellokal nach einem Bier zu fragen, so wird es heute mehr und mehr vom Sommelier zum richtigen Gang empfohlen. Bis das allerdings zur neuen Geniesser-Normalität gehört, wird es noch dauern. Es werden uns noch viele ältere Kunden am PILGRIM-Stand fragen: “Ist das Wein oder nur Bier?”